Was hat ein Energieversorger mit Smart City zu tun? Wie profitieren Gemeinden – und vor allem ihre Bürger:innen – davon? Und warum ist ausgerechnet Aesch das Reallabor für die Stadtentwicklung von morgen? Ein Gespräch mit Stefan Grötzinger, Leiter Smart City bei Primeo Energie, zeigt im Interview: Die Zukunft der Energieversorgung ist vernetzt, partizipativ und lokal wirksam.
Stefan, Primeo Energie ist doch eine Energieversorgerin. Wie kommt es, dass sich das Unternehmen jetzt auch in Sachen Smart City engagiert?
Die Anforderungen an unsere Branche haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Es geht heute nicht mehr nur darum, Strom oder Wärme bereitzustellen. Es geht heute viel stärker darum, Gemeinden aktiv mit digitalen Werkzeugen bei der Entwicklung, und zwar einer nachhaltigen Entwicklung, zu begleiten. Da geht es um Digitalisierung, um Klimaziele, um Energieeffizienz, aber auch neue Erwartungen und Anforderungen der Einwohner. All das verändert auch unsere Rolle. Deshalb engagieren wir uns im Bereich Smart City.

Was versteht Primeo Energie unter Smart City?
Für uns bei Primeo Energie bedeutet Smart City ganz konkret: Wie können wir Städten, Gemeinden und Arealbetreibern helfen, ihre alltäglichen Herausforderungen besser zu meistern? Es geht darum, mit digitalen Lösungen Ressourcen effizienter zu nutzen, die Lebensqualität vor Ort zu verbessern und die Menschen stärker einzubeziehen. Smart City muss dabei ein gemeinschaftlicher Prozess sein – Verwaltung, Bevölkerung und Unternehmen arbeiten gemeinsam an Lösungen. Es geht dabei nicht um ein fertiges Produkt, sondern um eine kontinuierliche Entwicklung, die alle mitgestalten.
Nun habt ihr eine erste Partnerschaft mit der Gemeinde Aesch und setzt dort schon zahlreiche Smart-City-Massnahmen um. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Aesch ist eine sehr innovative Gemeinde, die sehr offen ist für neue Ansätze und Wege. Zudem bestehen bereits enge Partnerschaften in anderen Bereichen mit Primeo Energie, zum Beispiel bei der intelligenten Beleuchtung. Entscheidend war auch, dass wir die Zusammenarbeit klar geregelt haben. Es gibt eine formalisierte Vereinbarung, die auf beiden Seiten Verbindlichkeit schafft – mit konkreten Zielen und dem Anspruch, das Gelernte auch auf andere Gemeinden übertragen zu können. Dass diese Vereinbarung sogar vom Gemeinderat offiziell beschlossen wurde, zeigt, wie wichtig das Thema für die Gemeinde ist.
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Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Aesch: Stefan Grötzinger und Roman Cueni, Leiter der Gemeindeverwaltung von Aesch, auf der Smart City Tagung in Thun.
Was habt ihr bisher konkret umgesetzt?
Wir haben mit verschiedenen Stakeholdern analysiert, welche Themen besonders relevant sind und diese anschliessend priorisiert. Dabei war uns wichtig, eine möglichst grosse Bandbreite an Anwendungen auszuwählen. Einige Massnahmen haben wir bereits umgesetzt: So erfassen wir mit Taupunktsensoren gezielt, wann Winterdienste wirklich notwendig sind – das spart Kosten und Ressourcen. Mit Bodenfeuchtesensoren optimieren wir die Bewässerung im öffentlichen Raum. Ausserdem messen wir Lärm und Verkehr, um diese Daten in der Raumplanung und zur Verbesserung der Lebensqualität nutzen zu können. Wir beobachten Hitzeinseln und setzen mobile Beschattungsobjekte ein, um auf klimatische Veränderungen reagieren zu können. Ein interaktiver 3D-Zwilling unterstützt uns in der Kommunikation mit der Bevölkerung, und durch Parkplatzsensoren können wir verkehrsberuhigende Massnahmen gezielter planen. Auch im Werkhof haben wir digitale Unterstützung eingebaut – etwa mit Dashboards und automatischen Alarmierungen, wie einer SMS bei Frostwarnungen.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was bringt das alles konkret den Menschen in der Gemeinde?
Das ist eine ganz entscheidende Frage, denn letztlich geht es genau darum: den Alltag der Menschen spürbar zu verbessern. Und das gelingt mit diesen Massnahmen sehr gut. Zum Beispiel steht den Mitarbeitenden des Werkhofs mit den Taupunktsensoren nun ein smartes Tool als Unterstützung für den Winterdienst zur Verfügung. Das Verkehrs- und Lärmmonitoring wiederum hilft dabei, den Verkehr zu beruhigen. Mit dem Hitzeinsel-Monitoring können wir heisse Stellen entschärfen und den Menschen so das Leben erleichtern, und mit dem 3D-Zwilling können die Bürger:innen noch besser nachvollziehen, was in der Gemeinde geplant ist, sie können mitreden, sich einbringen. Also, man sieht schon an diesen Beispielen: die Massnahmen haben ganz konkrete Vorteile für die Menschen.
Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung und wie habt ihr sie überwunden?
Natürlich gab es auch Hürden, das ist ganz normal. Gerade Themen wie Datenschutz, technische Schnittstellen oder auch die Komplexität der Systeme haben uns einiges abverlangt. Und wie immer, wenn etwas neu ist, gab es auch Fragen und gewisse Vorbehalte. Was geholfen hat, war vor allem eins: reden und zuhören. Wir haben früh alle Beteiligten eingebunden, besonders die Mitarbeitenden im Werkhof, die später mit den Lösungen arbeiten sollen. Ihre Rückmeldungen waren unglaublich wertvoll. Nur weil wir verstanden haben, was sie im Alltag wirklich brauchen, konnten wir die Systeme so gestalten, dass sie auch sinnvoll nutzbar sind. Dazu kam fachliche Unterstützung – etwa durch die ZHAW, die uns wissenschaftlich begleitet hat, Schritt für Schritt konnten wir so Vertrauen aufbauen und die Hindernisse abbauen.
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Stefan Grötzinger und Stefan Straumann, der Leiter des Werkhofs von Aesch, planen die Installation von Bodenfeuchtesensoren
Gibt es schon erste Ergebnisse und Erfolge zu verzeichnen?
Ja, es gibt bereits erste sichtbare Erfolge. Einige Sensoren sind inzwischen im Einsatz, etwa zur Ermittlung der Bodenfeuchte, für den Winterdienst oder zur Verkehrsüberwachung, und liefern laufend Daten, die in der Gemeinde ausgewertet und genutzt werden. Ein Beispiel ist der SensorX von Tridonic, den wir testweise schon vor dem Marktstart einsetzen durften. Auch auf grösserer Bühne findet das Projekt Beachtung: Wir waren gemeinsam mit der Gemeinde Aesch an der Smart City Tagung 2025 in Thun und haben dort viel positives Feedback erhalten.
Und was kommt als Nächstes?
Wir möchten im 2026 fünf weitere Gemeinden als Partner respektive Kunden gewinnen, um dort ähnliche Smart-City-Lösungen umzusetzen. Gleichzeitig entwickeln wir neue Angebote, zum Beispiel ein Whitelabel-Modell für Energieversorgungsunternehmen oder Anwendungen, die Unternehmen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstützen. Ausserdem stehen in den kommenden Monaten zahlreiche nationale und internationale Veranstaltungen an – von der Smart Country Convention in Berlin bis zu den Swiss-Japan Energy Days –, bei denen wir das Thema weiter vorantreiben werden.
