Primeo Energie stellt die Spannung in seinem Mittelspannungsnetz um, und zwar von 13 auf 20 Kilovolt. Dieter Stich leitet dieses anspruchsvolle Projekt. Im Interview erklärt er, warum die Spannung erhöht wird, was es für die Kunden bedeutet und wieso das überhaupt gemacht wird.

Dieter, was genau passiert bei dieser Spannungsumstellung und warum ist sie notwendig?

Dieter Stich: Wir erhöhen die Spannung in unserem Mittelspannungsnetz von 13 auf 20 Kilovolt. Das Mittelspannungsnetz kann man sich ein wenig wie die Hauptstrassen im Strassennetz vorstellen. Dadurch, dass wir die Spannung erhöhen, steigt die Transportleistung. Gleichzeitig sinken die Transportverluste. Um beim Vergleich mit dem Strassennetz zu bleiben: Es ist, als könnten auf einer Hauptstrasse plötzlich mehr Autos gleichzeitig schneller fahren. Im Stromnetz bedeutet das: Die vorhandenen Leitungen können mehr Energie übertragen, ohne dass wir zusätzliche Kabel oder Freileitungen verlegen müssen. Das Netz wird also  leistungsfähiger, effizienter und besser gerüstet für die Zukunft.

Merkt die Kundschaft etwas von der Umstellung?

Dieter Stich: Ja. Am Tag der tatsächlichen Umstellung müssen wir die jeweiligen Transformatoren vorübergehend ausschalten, um sie auf die neue Spannungsebene umzustellen. Ein Transformator wandelt Spannung um, in diesem Fall Mittelspannung in Niederspannung, also 400 beziehungsweise 230 Volt. An jeden Transformator sind mehrere Verteilkabinen angeschlossen, und von dort aus wiederum mehrere Kunden. Daher kommt es während der Umstellung zu einem geplanten Stromunterbruch. Je nach Komplexität der Netzsituation dauert dieser in der Regel ein bis zwei Stunden. Den genauen Zeitpunkt teilen wir den betroffenen Kundinnen und Kunden frühzeitig und individuell mit.

Wie profitieren die Kunden von der Umstellung?

Dieter Stich: Langfristig profitieren alle Netzkunden von der Umstellung: Die Stromversorgung wird um mehr als 50 Prozent leistungsfähiger – und das ganz ohne aufwendige und teure Grabarbeiten. Niedrigere Transportverluste wirken sich ebenfalls kostensenkend aus. Damit hat der "System-Wechsel" von 13 Kilovolt auf 20 Kilovolt hat also eine bleibende Wirkung für die Zukunft.

Wie läuft die Umstellung denn ab?

Dieter Stich: Wir machen das Schritt für Schritt, eine Region nach der anderen, bis das ganze Netzgebiet "Jura Nord" umgestellt ist. Die erste Region haben wir bereits 2023 umgestellt, die zweite folgt gegen Ende dieses Jahres. Auf unserer Projekt-Website finden Sie eine geografische Übersicht, wann welche Gemeinde umgestellt wird. Abgeschlossen wird das Projekt voraussichtlich 2030. Die Daten werden laufend geschärft und aktualisiert.

Was sind für dich die grössten Herausforderungen bei dem Projekt?

Dieter Stich: Alle vorbereitenden Arbeiten so zu koordinieren, dass der Umschalttermin, den wir an grosse Produktionsbetriebe ein Jahr im Voraus abgeben, auch eingehalten werden kann. Zudem ist die Umstellung an sich eine Ausnahmesituation, es kommt im normalen Netzbetrieb nicht vor, dass man sämtliche Trafostationen Aus-Um- und wieder Ein-Schaltet. Um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten, ist es entscheidend, einen sicheren Umstell-Zustand zu erstellen. Dieser Schritt ist aufwendig und nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch als die eigentliche Spannungsumstellung selbst.

Was war für dich bisher die eindrücklichste Erfahrung bei diesem Projekt?

Dieter Stich: An erster Stelle steht klar die störungsfreie Umstellung der ersten Region im Mai 2023 – ein grosser Meilenstein. An zweiter Stelle folgt die hervorragende bereichsübergreifende Zusammenarbeit: Zahlreiche Netz-Mitarbeitende aus verschiedenen Fachbereichen ziehen gemeinsam an einem Strang – oder, um es branchengerecht auszudrücken: am selben Kabel. An dritter Stelle steht die enge Zusammenarbeit mit unseren Grosskunden. Dort dauert die Umstellung oft mehrere Stunden und ist mit grossem organisatorischen Aufwand verbunden.  Zusätzlich muss auch deren Infrastruktur 20 kV-tauglich sein. Im professionellen Umfeld erleben wir dabei eine grosse Lösungsorientierung: Der „stromlose Moment“ wird oft genutzt, um ohnehin anstehende Wartungsarbeiten durchzuführen.