Digitalisierung ist eines der Schlagworte unserer Zeit. Doch was bedeutet sie konkret für ein Energieunternehmen wie Primeo Energie? Priscilla Leimgruber, Leiterin IT, erklärt, wie die digitale Transformation das Unternehmen, die Energieversorgung und die Kundenerlebnisse grundlegend verändert. Von smarten Netzlösungen über KI-gestützte Plattformen bis hin zu neuen Services für Kundinnen und Kunden: Im Interview zeigt sie, wie Primeo Energie die Energiewende aktiv gestaltet und die Weichen für eine dezentrale, effiziente und digitale Energiezukunft stellt.
Priscilla, es ist viel von Digitalisierung die Rede, sie ist Teil der Unternehmensstrategie von Primeo Energie, aber was bedeutet das eigentlich für ein Unternehmen wie Primeo Energie?
Digitalisierung beinhaltet die Automatisierung von Prozessen, also dass man Aufgaben mithilfe von Computern schneller und effizienter erledigen kann. Digitalisierung geht aber noch viel weiter, bei uns geht es um eine digitale Transformation. Das bedeutet, dass wir unsere gesamten Arbeitsweisen, Geschäftsmodelle und Services mit digitalen Technologien neu denken und zukunftsfähig machen. So schaffen wir smarte Lösungen, die das Energiesystem stabiler machen, die Effizienz steigern, Kosten senken und Kundinnen und Kunden noch mehr ihren Energieverbrauch steuern können. Und wir stecken inzwischen mitten in dieser digitalen Transformation.
Was sind die wesentlichen Treiber der digitalen Transformation?
Das ist ganz klar die Energietransformation, der Wandel des gesamten Energiesystems, den wir erleben und der sich immer mehr beschleunigt. Früher war das Energiesystem klar strukturiert. Strom floss von zentralen Kraftwerken zum Kunden. Heute ist das Netz bidirektional und viel dynamischer. Viele kleine, dezentrale Anlagen produzieren Strom, vertreiben diese direkt an Kunden und speisen sie ins Netz zurück. Das bedeutet für uns neue Herausforderungen, von der Netzstabilität über Marktmechanismen bis hin zu neuen Verbrauchssteuerungsmodellen. Um das alles zu steuern, brauchen wir digitale Lösungen, die weit über eine reine digitale Prozessautomatisierung hinausgehen.
Mit welchen Lösungen geht ihr diese neuen Aufgaben an?
Wir entwickeln mit lernenden Algorithmen und KI-gestützten Tools Lösungen, die den Netzbetrieb stabilisieren, die Energieeffizienz steigern und gleichzeitig neue Geschäftsfelder eröffnen. Dazu zählen zum Beispiel der digitale Zwilling, der unser ganzes Netz praktisch in Echtzeit abbildet, dazu zählen die KI-gestützte Bilanzgruppensteuerung oder Vermarktung von Flexibilitäten über unsere Plattform «equalio», das Flexibilitäten aus unterschiedlichen Quellen automatisch bündelt und am Energiemarkt platziert. Auch datenbasierte Geschäftsmodelle und die Digitalisierung von End-to-End-Prozessen spielen eine immer grössere Rolle.
Du hast bereits die dezentrale Energieerzeugung angesprochen. Wie hilft Digitalisierung hier?
Dezentrale Anlagen wie Solardächer oder Windräder erzeugen volatil Energiemengen, da sie wetterabhängig sind. Digitalisierung hilft uns, diese Schwankungen mittels Near -Time-Daten aktiv zu steuern, etwa durch Batterien, Wärmespeicher oder flexible Industrieverbräuche. Kunden könnten uns erlauben, ihre Speicher automatisch zu laden, wenn viel Solarstrom verfügbar ist, und bei Knappheit wieder Energie ins Netz zurückzugeben. Gleichzeitige Instrumente wie dynamische Tarife oder das virtuelle Kraftwerk Equalio erhöhen die Flexibilität und Netzstabilität.
Wie profitieren die Kunden von der digitalen Transformation?
Kunden erhalten mehr Transparenz und Kontrolle und haben letztlich auch geringere Kosten. Unsere neue Primeo Energie App zum Beispiel zeigt Verbrauchsmuster auf, identifiziert Anomalien sowie die grössten Stromfresser und zeigt Endkunden interaktiv und gezielt auf, wo die Hebel beim Stromsparen liegen.. Auch die Steuerung von Assets für die Nutzung von dynamischen Tarifen ist geplant und bietet die Möglichkeit, bei netzdienlichem Verhalten Geld zu sparen. Wer Flexibilitäten anbietet, kann diese ebenfalls integrieren und Geld verdienen. Zudem bieten wir als erstes Schweizer EVU individualisierte CO₂-Reports an, die Kundinnen und Kunden einen detaillierten Überblick über Emissionen, Strommix und Reduktionspfade geben. Für all das brauchen wir digitale Lösungen. Und diese bauen wir auf.
«Ohne das Zusammenspiel mit Kundinnen und Kunden geht die Energietransformation nicht. »
Das heisst also, die Kunden spielen eine wichtige Rolle.
Absolut. Ohne das Zusammenspiel mit Kundinnen und Kunden geht die Energietransformation nicht. Wir möchten enger mit ihnen zusammenarbeiten und sie befähigen, ihren Verbrauch und die Erzeugung gezielt und intelligent zu steuern. Plattformen wie unsere interaktive Website «Wärme und Strom der Zukunft», «Home2050» oder »PrimeoRenov» Frankreich zeigen, wie Haushalte und Unternehmen die Energiestrategie 2050 mitgestalten können, von PV-Anlagen über Wärmepumpen bis zu Elektromobilität. Und wer seine Flexibilität bereitstellt, etwa über Equalio, wird fair entschädigt.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Kunden?
Alles basiert auf klaren Vereinbarungen und der Zustimmung unserer Kunden. Die Steuerung erfolgt ausschliesslich in den vereinbarten Bereichen wie grossen Speichern oder PV-Anlagen. Gerade bei Grosskunden oder flexiblen Industrieverbräuchen ergibt sich dadurch ein grosses Potenzial für beide Seiten: Das Netz wird stabilisiert, und die Kunden profitieren von einer Vergütung.
Wie wird der Schutz der Kundendaten gewährleistet?
Sicherheit hat höchste Priorität. »Zusammen mit unserem Chief Information Security Officer (CISO), stellen wir sichere Umgebungen sicher. Nur autorisierte Personen erhalten Zugriff auf Daten. Kunden entscheiden selbst, ob sie Daten teilen. Unsere Datenplattformen befinden sich zudem in sicheren Rechenzentren in der Schweiz oder Europa.
Du hast KI schon angesprochen, welche Rolle spielt sie?
KI und Large Language Models sind zentrale Werkzeuge für Energieflussmanagement, Netzsteuerung und Kundenservices. Sie helfen, Prognosen zu Lastflüssen zu verbessern, dezentrale Einspeisungen zu koordinieren und neue Dienstleistungen zu entwickeln. KI ermöglicht auch personalisierte Services, wie etwa Empfehlungen zur Energieoptimierung oder automatisierte Peer-to-Peer-Handelsvorschläge innerhalb von Energiegemeinschaften. Da sind wir dran und werden in den kommenden Jahren auch immer mehr Produkte und Dienstleistungen anbieten, die auf KI basieren oder KI-Modelle nutzen.
Wird KI die Menschen ersetzen?
Nein, KI ersetzt uns nicht. Sie übernimmt monotone Aufgaben und schafft Freiräume für strategische Entscheidungen und Beratung. Entscheidend ist, dass wir lernen, die Ergebnisse der KI kritisch zu bewerten und unsere Expertise darauf aufzubauen.
Wo siehst du Primeo Energie in den nächsten drei bis fünf Jahren?
Ich denke, es geht in eine Energiezukunft, in der Kunden ihre Versorgung aktiv steuern, und das einzeln oder in Energiegemeinschaften. Digitale Plattformen ermöglichen und vereinfachen den lokalen Stromhandel zwischen Haushalten und Unternehmen. Ein Schulhaus mit Solaranlage kann mittags Strom direkt an eine nahegelegene Firma verkaufen. Damit sparen beide Seiten Kosten, das Netz wird entlastet, und wir steigern die Resilienz des Systems. Natürlich geht das auch schon heute, in Zukunft wird sich das aber etablieren. Die Zukunft der Energie ist dezentral, digital und partizipativ. Und wir legen das digitale Fundament, damit diese Energiezukunft auch funktioniert.
